Schullbank mit einem Heft, Stiften, einem Wecker und einer Schultasche

Lehramt mit Kopftuch: Meine Erfahrungen mit Schulpraktika

Es sind Semesterferien: Die Klausuren sind geschrieben und die Hausarbeiten abgegeben- für viele Studenten bedeutet dies eine entspannte restliche Ferienzeit. Für einige bedeutet es aber auch ein vierwöchiges Praktikum an einer Schule, um Erfahrungen und Eindrücke für den späteren Beruf zu sammeln. Auch ich hatte das Vergnügen, wieder einmal Unterricht beobachten und selbst halten zu können.

Dass ich diese Gelegenheit als Vergnügen ansehen kann, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie nervös ich am ersten Tag meines ersten Praktikums war, da ich nicht wusste, wie die Schüler, das Kollegium und vor allem mein Betreuungslehrer auf mein Kopftuch reagieren werden. Mit Kopftuch zu unterrichten ist in Deutschland leider immer noch ein schwieriges Thema und wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich bewertet. Ich war mir deshalb sehr unsicher, wie die Reaktionen aussehen werden, wenn eine wildfremde, kopftuchtragende Muslima ins Lehrerzimmer einmarschiert, höflich jeden grüßt und sich in aller Selbstverständlichkeit an einen Tisch setzt, um ihr Brot zu verspeisen. Das Brot war tragischerweise in einer Arche-Noah-Wackelbild-Brotdose eingepackt und verlieh dem Ganzen ein Hauch von Komik. Zudem war ich gerade einmal 18 Jahre alt und nicht gerade groß. Viele erste Reaktionen fielen dementsprechend so aus, dass die Lehrer mich für eine Schülerin hielten und mich auf den Schulhof schicken wollten, bis ich sie mit der unangenehm peinlichen Wahrheit konfrontieren musste.

Nach diesen ersten Missverständnissen, die alle Parteien mit Humor nehmen konnten, verliefen bisher alle meine Praktika reibungslos, friedlich und ohne negative Vorfälle. Im Gegenteil: Mir wurde so viel Respekt, Anerkennung und Unterstützung zugesagt, dass ich gar nicht glauben konnte, was mir geschah. Ich konnte daher immer auch sehr viel erfahrene Menschlichkeit aus den Praktika mitnehmen. Für diese Erfahrung bin ich sehr glücklich und dankbar, denn es ist in Deutschland auch heute noch selten, als angehende muslimische Lehrerin mit einem Hijab derart bedingungslos akzeptiert und als Mensch gesehen zu werden- Und eben nicht als Gegenstand bodenloser Skepsis aufgrund von Vorurteilen, zu deren Verfechtung kein Mensch jemals eine Berechtigung hat…

Vor einem Jahr, als ich kurz vor einem anderen Praktikum an einer Gemeinschaftsschule stand, wurde ich vom universitären Institut für Lehrämtler zu einem Gespräch eingeladen. Eine der Zuständigen dieser Einrichtung hatte über einen gemeinsamen Bekannten mitbekommen, dass ich ein Kopftuch trage und wollte mich „vorwarnen“, da es bereits Fälle gab, in denen muslimische Lehramtsstudentinnen ihre Praktika oder gar ihr Studium abbrachen, da die Erfahrungen, die sie vor allem im Lehrerzimmer machten, äußerst negativ waren. Es blieb dabei nicht nur bei skeptischen Blicken, sondern ging soweit, dass einzelne Lehrkräfte eine Praktikantin regelrecht dazu überreden wollten, das Kopftuch abzulegen, ihren Unmut über das Kopftuch offen äußerten oder gar ein Verbot für kopftuchtragende Praktikantinnen aussprachen. Ich war schockiert.

Demensprechend überrascht und erfreut zugleich war die Frau, als ich erzählte, dass ich so etwas glücklicherweise nicht erleben musste. Vielleicht hatte ich bis jetzt auch immer ein bisschen Glück. Vielleicht liegt es auch ein stückweit an der eigenen Persönlichkeit. Sollte das Kopftuch jemals ein Problem in meiner Ausbildung oder in meiner Berufstätigkeit sein, werde ich jedenfalls nicht klein beigeben, da das Verbot des Kopftuchs einen massiven Eingriff in meine persönlichen Rechte darstellt und in meinen Augen nicht akzeptabel ist. Die Zuständige des Instituts meinte zu mir, dass ich vermutlich einer der ersten Fälle sein werde, bei dem die Frage nach dem Kopftuch eventuell bis zum Ende ausgefochten wird. Denn bisher gab es noch keinen einzigen Fall im Saarland.

Aufgrund meiner Erfahrung kann und will ich jedoch optimistisch sein, denn zu viele Schulen, zu viele Lehrkräfte und zu viele Schüler haben mir für solch einen Fall ihre liebe Unterstützung zugesagt, sodass dies zu ignorieren ebenso unmenschlich wäre wie die Ignoranz derer, die nur ihr eigenes Weltbild für richtig halten. Und ebenso: alle meine Praktika zeigten mir, dass die Schüler selbst, um die es ja in erster Linie geht, in keinster Weise ein Problem mit dem Kopftuch haben. Sie kennen es ja auch nicht anders. Kopftuchtragende Frauen sind nunmal ein Teil des Alltags. Ein Teil des heutigen Deutschlands. Ein Teil der Gesellschaft. Ich bleibe also optimistisch.

 

3 Gedanken zu „Lehramt mit Kopftuch: Meine Erfahrungen mit Schulpraktika“

  1. „Und ebenso: alle meine Praktika zeigten mir, dass die Schüler selbst, um die es ja in erster Linie geht, in keinster Weise ein Problem mit dem Kopftuch haben. Sie kennen es ja auch nicht anders. Kopftuchtragende Frauen sind nunmal ein Teil des Alltags. Ein Teil des heutigen Deutschlands. Ein Teil der Gesellschaft. Ich bleibe also optimistisch.“

    Es geht eben NICHT darum, dass die Schüler kein Problem mit dem Kopftuch haben. Zumal diese Aussage sicher auch nur auf einen Teil der Schülerschaft zutrifft. Auch dass kopftuchtragende Frauen Teil des Alltags sind, ist nicht der Punkt. Der Punkt ist die Schule als Ort der weltanschaulich- religiösen Neutralität, und die ist nicht gegeben, wenn eine kopftuchtragende (ohne eine Lehrerin mit ostentativ getragenen Kreuz) Lehrerin unterrichtet und Noten vergibt. Da in Deutschland die Schulpflicht gilt, ist dieses Neutralitätsgebot um so ernster zu nehmen, da ein Schulwechsel nur schwer und homeschooling gar nicht möglich ist.

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